Wenn ich von Hypnose in der Therapie spreche, ernte ich häufig ein Lächeln, Verwunderung oder ein befremdendes Kopfschütteln. Viele Menschen kennen den Begriff aus den Medien und verknüpfen damit sofort Showhypnose, Jahrmarktzauber und Scharlatane, die ihren Opfern den eigenen Willen rauben und dabei Dinge suggerieren, welche die Betroffenen bei Bewusstsein niemals tun würden. Diese Berichte erzeugen Neugierde aber auch Angst und werden meist nicht mit seriösen medizinischen Therapien in Verbindung gebracht. Die Wirklichkeit ist anders:
Hypnose ist eine sehr alte und natürliche Heilmethode, welche seit einigen Jahren von der Medizin wieder entdeckt wurde und ein breites Einsatzgebiet bietet.
Tranceerlebnisse sind allen Menschen vertraut. Wer kennt nicht die Situation, bei einer monoto- nen Fahrt über die Autobahn, plötzlich festzustellen, dass man die letzten 40 km kaum etwas von der Strecke und der Umgebung mitbekommen hat und mit seiner Aufmerksamkeit ganz intensiv wo- anders war, obwohl man dabei so komplexe Dinge wie Schalten, Bremsen und Überholen völlig korrekt erledigt hat? Trance ist ein Zustand, in welchem die Aufmerksamkeit von der Außenwelt auf ein inneres Erleben gerichtet wird, wobei vertraute und gelernte Handlungen ganz normal weiterlaufen können. Hypnose führt solche Trancezustände mit Hilfe bestimmter Techniken bewusst herbei, um Zugang zu unserem Unterbewussten zu be- kommen und heilende Veränderungen zu bewirken. Trance bedeutet nicht immer Ruhe. Viele alte Kulturen führen Tranceerlebnisse mit Hilfe von Tanz und Trommeln herbei. Man kann aber je- derzeit aus der Trance aussteigen. Jede bewusste Überlegung holt einen sofort in die Realität zurück.
Das Wort Hypnose stammt vom griechischen Wort „Hypnos“, was soviel wie Schlaf bedeutet. Gemeint ist jedoch ein Trance-ähnlicher Zustand, in dem sich der Hypnotisierte in einem besonderen Konzentrationszustand befindet.
Die meisten Menschen verbinden mit Hypnose die Vorstellung der Kontrollaufgabe und Entmachtung. Die klinische Hypnose ist jedoch ein Verfahren zur Vermittlung von Kontrollgewinn, Selbstständigkeit, Unabhängigkeit, Selbstvertrauen und damit zur Er- mächtigung. Dabei werden innere Suchprozesse ausgelöst und die Kreativität des Patienten geför- dert. Dabei entstehen oft unerwartete Lösungen.
Suggestion, wie ich sie verstehe, bedeutet einen Vorschlag zu unterbreiten, eine Anregung, die Sie nach eigenem Empfinden und Dafürhalten akzeptieren, zurückweisen, ablehnen, ignorieren oder ändern können. Die Vorschläge ermöglichen Ihnen vielleicht, Ihre Situation aus einer anderen Perspektive zu betrachten, zu beurteilen oder zu interpre- tieren. Sie haben jederzeit die Kontrolle darüber. Sie übernehmen nur solche Suggestionen, die zu Ihrem Inneren passen. Kein noch so guter Hypnotiseur kann Ihnen Dinge einreden, die Sie in Ihrem Unterbewussten gar nicht möchten. Wird dies versucht, streikt Ihr Inneres und Sie kehren sofort aus der Trance ins Bewusstsein zurück.
In der therapeutischen Trance sind viele meiner Patienten erstaunt und fragen, ob das jetzt Hypnose war, denn sie hätten ja alles um sich herum mitbekommen. Hypnose hat nichts mit magischer Entrückung zu tun, sondern ist konzentriertes Arbeiten an einer Aufgabe – jedoch unter Einbeziehung unseres unbewussten Wissens.
Elemente der Hypnose werden auch in der somatischen Medizin wirksam, obwohl uns dies oft nicht bewusst ist. Patienten die unter Stress stehen, sind sehr empfänglich für Suggestionen, auch wenn sie sich nicht in Trance befinden. So können oft beiläufige Bemerkungen eines Arztes, welchen sie in einer bestimmten Situation als Autoritätsperson annehmen, wie in Hypnose gegebene Suggesti- onen wirken. Dies kann sowohl negative Folgen haben, aber auch therapeutisch genutzt werden. Im Routinebetrieb im Krankenhaus wird mir immer wieder bewusst, welche Macht Worte haben, vor allem unbedachte Worte einer Autoritätsperson. Leider wimmelt es dort oft von negativen Suggestionen. Idealerweise kann mit Worten jedoch nicht nur die Psyche beeinflusst werden. Worte können auch Einfluss auf körperliche Funktionen wie Peristaltik, Blutungen, Blutdruck, Blasenfunktion, Schmerz und Übelkeit (alles Funktionen des vegetativen Nervensystems) nehmen.
In der Hypnose hat die Sprache einen wichtigen Stellenwert. Um einen Patienten in Trance zu be- gleiten, spreche ich ganz ruhig und langsam mit ihm, um die Aufmerksamkeit auf das Wesentliche zu lenken. In der Trance ist eine Kommunikation mit Fingersignalen möglich. Fragen können ans Unbewusste gestellt werden und es können ungeahnte Ressourcen zum Vorschein gebracht werden. Belastende oder schädigende Gedankeninhalte können durch angenehme und gesundheitsfördernde Bilder ersetzt werden.
Hypnose ist eine konzentrierte, nach innen ge- richtete Aufmerksamkeit in dem die Kontrolle des Bewusstseins weniger Einfluss hat. Dies gilt aber nur solange nichts suggeriert wird, was den Wer- ten des einzelnen Menschen widerspricht. Erzeugt wird der hypnotische Zustand durch Monotonie. Sie bedingt einen Abstand zur Außenwelt und führt in eine tiefe Entspannung, die vom Patienten als angenehm wahrgenommen wird. Diese Entspannung vertieft sich in eine Trance.
Viele Menschen glauben, dass eine Hypnosebehandlung wie im Fernsehen abläuft. Dass einem mit starrem und magischem Blick befohlen wird, ab jetzt nicht mehr zu rauchen. Dies ist ein plumpe, direkte Suggestion, die nicht funktionieren kann.
Kein Mensch kann gegen seinen eigenen Willen hynotisiert werden. Zum Gelingen der Hypnose ist ein Vertrauensverhältnis zwischen Ärztin oder Arzt und Patient sehr wichtig. Deshalb funktioniert die Hypnose umso besser, je mehr Vertrauen der Patient in diese Methode hat. Man kann das Loslassen und in Trance gehen gut erlernen. Ungeeignet für eine Hypnosetherapie sind Menschen, die sich schlecht konzentrieren können, wie behinderte Kinder, demente Menschen oder Menschen in einer akuten Psychose.
Hypnose ist kein Schlafzustand. Es ist viel mehr eine extreme Fokussierung, welche zur Aktivierung einer nur kleinen Hirnregion führt. Das konnte mittlerweile auch in vielen Untersuchungen nach- gewiesen werden. Mittels Magnetresonanz des Gehirns konnte gezeigt werden, dass es unter Hypnose zu einen „Ein- und Ausschalten“ von einzelnen Hirnregionen kommt. Dies erklärt auch, warum medizinische Eingriffe ohne Narkose in Hypnose durchgeführt werden können. Dr. Sponring, Anästhesist am Wiener Wilhelminenspital, hat dies in einem Selbstversuch bewiesen. Er hatte an sich eine Varitzenoperation, ausschließlich unter Hypnose, durchführen lassen. Die Hypnose führt zu Veränderungen im Gehirn, die messbar und analysierbar sind. Wenn eine Versuchsperson beispielsweise eine graue Fläche bunt sieht, so ist das keine Einbildung. Im Farbsehzentrum des Gehirns kommt es dann tat- sächlich zu einer erhöhten Aktivität. Am Institut für Psychologie der Universität Wien ist es gelungen mittels DC-Analysen „Erregungslandkarten“ in Hypnose zu erstellen.
Eingesetzt werden kann Hypnose bei chronischen Schmerzen, chronischen Erkrankungen, Ängsten, Depressionen, Burnout, pschosomatischen Erkrankungen, vor Operationen, während einer Krebstherapie, bei Reizdarm, zur Geburtsvorbereitung, Raucherentwöhnung, zur Alkoholentwöhnungund zur Erleichterung bei medizinischen Eingriffen.
Eine Hypnoseausbildung wäre für viele Kolle-gen wichtig, denn wir verwenden tagtäglich un- bewusst direkte oder indirekte Suggestionen. Die Fähigkeit eines Menschen diese anzunehmen ist in bedrohlichen Situationen (z.B. während einer Krankheit oder im Krankenhaus) deutlich erhöht und diese Botschaften sitzen dann auch sehr tief. Für die Patienten wäre es günstig, wenn Ärzte den Umgang mit der Sprache bewusster lernen würden, damit diese, im medizinischen Alltag, ein gezieltes und behutsam eingesetztes Instrument wird.
Studie zur Gruppenhypnose bei Reizdarm am Wiener AKH:
Dabei wurde in einer Gruppenhypnose mit 43 Patienten diesen suggeriert, dass ihr Magen-Darm-Trakt ruhig und rhythmisch funktioniert, und dass sie wieder die Kontrolle darüber erlangen. Es wurden zehn Sitzungen zu 45 Minuten durchgeführt. Die Kontrollgruppe erhielt die gleiche Anzahl an Arztbesuchen. Es zeigte sich, dass sich bei den Patienten der Hypnosegruppe die Symptome deutlich verbesserten, die Ängstlichkeit und Depression abnehmen und generell das Wohlbefinden zunahm. Laut Prof. Moser konnten sie mit dieser Studie nachweisen, dass Gruppenhypnose eine hoch effiziente Therapie beim Reizdarmsyndrom ist. Quelle: Medical Tribune 10. 3. 2010